Berufsausbildungskosten/Kosten eines Erststudiums
- BFH, Aktenzeichen VI R 8/12 -
- BVerfG, Aktenzeichen 2 BvR 24/14 -
Bundesfinanzhof ruft erneut das Bundesverfassungsgericht an:
Mit Beschluss vom 17.07.2014 hat der BFH erneut das BVerfG angerufen und die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die gesetzliche Vorschrift (§ 9 Abs. 6 EStG), wonach Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Verfahren wird beim BVerfG unter Aktenzeichen 2 BvR 24/14 geführt.
Die frühere Rechtsprechung des BFH unterschied zwischen den als Werbungskosten abziehbaren Kosten einer Fortbildung in einem bereits ausgeübten Beruf und den als Sonderausgaben begrenzt abziehbaren Kosten einer Ausbildung zu einem künftigen Beruf.
Der 6. Senat des BFH hat, beginnend mit der Entscheidung vom 04.12.2002 (AZ: VI R 120/01), diese Rechtsprechung aufgegeben und von der strickten Unter-scheidung zwischen Aus- und Fortbildung Abstand genommen. Nach der geänderten Rechtsprechung können auch Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium Werbungskosten im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 1 EStG sein. Ob das Studium eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich (vgl. etwa BFH-Urteil vom 17.12.2002, AZ: VI R 137/01 und vom 20.07.2006, AZ: VI R 26/05).
Im Urteil vom 17.12. 2002 (AZ: VI R 137/01) hat der BFH Aufwendungen für ein berufsbegleitendes erstmaliges Hochschulstudium als Werbungskosten anerkannt. Mit Urteil vom 27.05.2003 (AZ: VI R 33/01) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass vorab entstandene Werbungskosten auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein können. Maßgeblich ist nach der neueren Rechtsprechung des BFH allein das Veranlassungsprinzip.
Der Gesetzgeber reagierte auf diese geänderte, unliebsame Rechtsprechung des Senats mit einem „Korrekturgesetz". Durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 (BGBl. I 2004, 1753) wurde § 12 Nr. 5 EStG unter gleichzeitiger Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG eingeführt. Nach § 12 Nr. 5 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004, der mit Rückwirkung auf den 01.01.2004 in Kraft gesetzt wurde, dürfen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Be-rufsausbildung und für ein Erststudium weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Die Vorschrift ordnet damit in typisierender Weise die Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung (und ein Erststudium) - von dem in Halbsatz 2 der Vorschrift genannten Fall abgesehen - den der Höhe nach nur beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben zu.
In seinen Entscheidungen vom 18.06.2009 (AZ: VI R 14/07 und VI R 31/07) und vom 28.07.2011 (AZ: VI R 5/10, VI R 7/10 und VI R 38/10) stellte der BFH fest, dass der vorrangige Werbungskostenabzug unverändert fortgelte, und zwar insbe-sondere „auch nach der Neuregelung des Abzugs der Berufsausbildungskosten und der Einführung des § 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weitere Gesetze vom 21. Juli 2004". Denn auch § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der durch dieses Änderungsgesetz insoweit unveränderten Fassung entfalte keine Sperrwirkung gegenüber dem Werbungskostenabzug.
Auf diese Rechtsprechung reagierte der Gesetzgeber erneut mit einer Gesetzesänderung. Der Gesetzgeber versteht die Neuregelung vor dem Hintergrund der vom BFH als unzureichend bemängelten Gesetzestechnik als (erneute) Klarstellung seines gesetzgeberischen Willens. Durch das BeitrRLUmsG vom 07.12.2011 wurde u.a. § 9 EStG um einen Absatz 6 ergänzt. Der neu angefügte § 9 Abs. 6 EStG bestimmt, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung und dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Das bereits bisher bestehende Abzugsverbot nach § 12 Nr. 5 EStG wurde dahingehend „präzisiert", dass nur ein Erststudium, das zu-gleich eine Erstausbildung vermittelt, unter das Abzugsverbot fällt.
Nach unserer Auffassung verstoßen die gesetzlichen Neuregelungen in § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 und § 52 Abs. 23d und 30a EStG gegen Verfassungsrecht. Die Vorschriften bzw. die gesetzlich angeordnete Abzugsbeschränkung für Aufwendungen für ein Erststudium stellen einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip sowie den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG dar und enthalten zudem eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.Der BFH hat sich mit dem Vorlagebeschluss vom 17.07.2014 unserer Auffassung angeschlossen.